Übernachtungshaus im Herzen von Nürnberg

Das Otto-Felix-Kanitz Haus

Die Geschichte des Hauses

Seit 1962 nutzt die Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken aus Nürnberg, den alten "Muggenhof". Das genaue Alter des Bauernhauses ist nicht bekannt, Schätzungen gehen vom 17. bis 18. Jahrhundert aus. Urkundlich wurde das Haus erstmalig 1781 erwähnt, als der damalige Besitzer, der "Unterthan und Wirth" Leonhard Pfann die Behörden um die hohe Vergünstigung ansuchte, das Anwesen umzubauen und zu vergrößern. Wohl weit über 200 Jahre hatte das stattliche Anwesen als Bauernhof gedient. Bis Mitte der 1930er Jahre nutzte es der Ökonom (Landwirt) Jakob Kleinlein. Aber seine Bauernwirtschaft konnte wohl nicht genügend Ertrüge erwirtschaften, um das architektonische Kleinod sachgerecht zu restaurieren. 1934 sollte es wegen Baufälligkeit abgerissen werden, aber die Stadt Nürnberg erkannte den geschichtlichen Wert des Anwesens, übernahm das Gebäude und stellte es unter Denkmalschutz. Mit seinem hohen Krüppelwalmdach und der Fachwerkkonstruktion, den alten Fensterstöcken und einer wertvollen holzgetäfelten Bauernstube war es eines der letzten alten Nürnberger Bauernhäuser. Bis in die Kriegsjahre hinein versuchte die Stadt das Gebäude zu sichern, marode Mauern und das einsturzgefährdete Holzwerk zu reparieren, was aber wegen unzureichender Finanzen nicht in fachlich gebotenem Maße gelang.


Angezogen von der romantischen Anmutung des Hauses bemächtigte sich die Hitler-Jugend des Anwesens und begann eine unsägliche Zerstörung: Aus dem alten Bauernhaus sollte ein HJ-Heim werden. Die Denkmalschutzbehörde der Stadt Nürnberg war entsetzt. In einem Schriftsatz vom 4.1.1937 prangerte sie die bedenkenlose Zerstörungswut der HJ an: "Unterdessen bezog die Hitlerjugend mit Genehmigung das Haus und schaltete und waltete darin nach eigenem Gutdünken und Belieben, wie sie wollte; sie unternahm Baumaßnahmen ohne zu fragen und um Genehmigung dazu zu bitten. Die kostbare alte Bauernstube wurde herausgerissen, ebenso die Fensterstöcke, was brennbar war, wurde in den Ofen geschürt. Die Küche wurde demoliert und die Wand zwischen Stube und Küche abgebrochen. Das Bauernhaus soll weiter zerstört werden, um ein richtiges HJ-Heim daraus machen zu können."


Die Kriegszerstörungen in Nürnberg verschärften die Wohnungsnot in der Stadt so sehr, dass alle Möglichkeiten genutzt werden mussten, um der ausgebombten Zivilbevölkerung Wohnraum zu verschaffen. Auch das vom Krieg verschonte Bauernhaus beherbergte bis 1954 acht bis neun Personen.


1962 stellte die Stadt Nürnberg das Haus in der damaligen Fuchsstraße 42 der Sozialistischen Jugend Deutschlands - Die Falken zur Verfügung. Sie nutzte es als Treffpunkt für ihre Gruppen und als Jugendgästehaus. 1978 erhielt das Haus eine passende Adresse: Die Fuchsstraße wurde in Adolf-Braun-Straße umbenannt. Der gebürtige Österreicher (1862 - 1929) arbeitete im Kaiserreich als Redakteur des SPD-Zentralorgans "Vorwärts" in Berlin. Von dort wurde er als "lästiger Ausländer" ausgewiesen. Der Sozialdemokrat kam nun als Arbeitersekretär nach Nürnberg und arbeitete ab 1862 als Redakteur der sozialdemokratischen "Fränkischen Tagespost", wo er sich im kaiserlichen Deutschland mit mutigen Leitartikeln die Sympathie der Nürnberger Sozialdemokraten erschrieb. 1919 ging er zurück nach Berlin, wirkte in der Nationalversammlung und als Sekretär und Mitglied des SPD-Parteivorstands.


In den 80er Jahren wurde mit viel Eigenleistung und der finanziellen Unterstützung des Bayerischen Jugendrings begonnen das Haus zu modernisieren. Seitdem wird es für die Nutzung als Jugendgästehaus auf einem modernen Stand gehalten. Es gilt den Charme des alten Hauses mit modernen Notwendigkeiten in Bezug auf Küche, Sanitäranlagen und Unterbringung zu vereinbaren.

Otto-Felix Kanitz
Otto-Felix Kanitz
Otto-Felix Kanitz
Otto-Felix Kanitz
Otto-Felix Kanitz

Otto Felix Kanitz

Otto Felix Kanitz war einer der bedeutendsten sozialistischen Pädagogen des 20. Jahrhunderts. Er wurde am 5. Februar 1894 in Wien in einer bürgerlichen jüdischen Familie geboren und starb nach Misshandlungen im KZ Buchenwald am 27. März 1940.


Als Jugendlicher befreite er sich von den Zwängen, die ihm sein jüdisch-bildungsbürgerliches Elternhaus und eine strenge katholische Heimerziehung auferlegt hatten. Nach Volks- und Bürgerschule im kaiserlichen Österreich begann er eine Installateur- und bald darauf eine Handelslehre, die er 1911 als Handlungsgehilfe abschloss. Noch als Lehrling engagierte er sich in der Jugendorganisation des Zentralvereins der kaufmännischen Angestellten und half dem bekannten Wiener Sozialdemokraten Max Winter, der Jahre später, im Februar 1917, zum ersten Obmann des Reichsvereins der österreichischen Kinderfreunde gewählt werden sollte, im Wahlkampf.


Vielleicht brachten die Kindheits- und Jugenderfahrungen den jungen Kanitz dazu, sich schon früh mit Erziehungsfragen zu beschäftigen. Denn er wuchs auf zwischen autoritärer und klerikaler Erziehung einerseits und konnte andererseits in der Arbeiterbewegung bald freiere Luft atmen. Seine Jugend- und frühen Erwachsenenjahre waren für ihn eine schwierige und bewegte Zeit voller innerer Kämpfe. Seine neuen Genossen halfen ihm während der Kriegszeit, sich weiterzubilden. Und so bestand er sogar die externe Abiturprüfung und konnte studieren. Dieses Studium war ein Glücksfall für ihn. Nach dem Ersten Weltkrieg blühte das sozialistische Geistesleben in Wien auf. So wurde der Austromarxismus seine geistige Heimat und die Beschäftigung mit Erziehungsfragen sein Lebensthema.


Es war das zentrale Thema des Austromarxismus: Wie kann in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft jener »neue Mensch« erzogen werden, der eine sozialistische Gesellschaft erkämpft und gestaltet. Im folgenden Jahrzehnt widmete sich Kanitz dieser Aufgabe mit allen seinen Kräften. Zunächst wirkte er – noch als Student – ab 1919 als Leiter der "Kolonie Gmünd", eines Erholungsheims für 700 Kinder. Dort erprobte er die Selbstverwaltung von Kindergemeinschaften: sozialistische Erziehung als praktische Kinder-Demokratie. Danach leitete er die Sozialistische Erzieherschule im Schloss Schönbrunn.


Dort, wo noch kurz zuvor die Hautevolee des Kaiserreichs promenierte, bildeten nun die immens erstarkten "Kinderfreunde" ihre sozialistischen Erzieher*innen aus. Als diese sozialistische Vollzeit-Erzieher*innenschule Anfang 1923 geschlossen werde musste und nur noch als Abendschule weitergeführt werden konnte, erhielt Kanitz eine Stelle als Kinder-Hortberater bei der Stadt Wien. Während des ganzen anschließenden Jahrzehnts seiner Berufstätigkeit fungierte er bei den Kinderfreunden und in der Sozialistischen Arbeiterjugend ehrenamtlich als Referent und leitender Redakteur der einflussreichen Zeitschrift "Sozialistische Erziehung" (Wien).


Angeregt durch seine pädagogische Praxis verfasste Kanitz viele bedeutende Aufsätze und Bücher, die seinen legendären Ruf als des neben Kurt Löwensteins bedeutendsten sozialistischen Erziehers seiner Zeit begründeten. Seine Hauptwerke "Das proletarische Kind in der bürgerlichen Gesellschaft" (1925) und "Kämpfer der Zukunft" (1929) wurden in Deutschland viel gelesen. Berühmt wurde Kanitz vorallem, weil er die Bedeutung einer "sozialistischen Gefühlsbildung" in der Kindergruppenarbeit herausarbeitete und seine Erziehungsvorstellungen in "10 Grundsätzen der sozialistischen Erziehung" zusammenfasste.


1934 floh Kanitz vor den Nationalsozialisten nach Brünn ins Exil. Da er hoffte die Verfolgung von Antifaschisten würde in Österreich nicht so schlimm wie in Deutschland sein, kehrte er nach Wien zurück, wo ihn die Gestapo jedoch verhaftete und in das Konzentrationslager Buchenwald bei Weimar verschleppte. Dort starb er am 27. März 1940 an den Folgen der Misshandlungen, die ihm zugefügt worden waren.


Seit den 1970er Jahren erinnern sich die österreichischen Kinderfreunde und die Sozialistische Jugend Deutschlands - Die Falken wieder stärker an die Schriften von Otto Felix Kanitz. Den Nazis hat es nichts genutzt ihn umzubringen. Seine Gedanken leben fort und sind bis heute lebendig.